Beziehungen

Jede Beziehung ist ein Werte-für-Werte-Verhältnis. Das bedeutet, dass Menschen in allen Beziehungen etwas geben, dass einen Wert für den anderen hat, und dass sie einen entsprechenden Gegenwert erhalten. Auf dieser Grundlage beruht jede Interaktion zwischen Menschen. Der Mensch assoziiert alles miteinander, wertet und beurteilt Menschen und Beziehungen nach diesem Prinzip. Ist das Wertesystem unausgewogen, leiden Menschen in einer Beziehung. Das beste Beispiel ist das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Prinzip: Verdient der Arbeitnehmer für seine Leistung zu wenig Geld oder bekommt keine Anerkennung, so leistet er nur „Dienst nach Vorschrift“ oder die Arbeitsbeziehung wird gekündigt. Unausgewogene Partnerschaften führen zu einer beidseitigen Trennung oder dem Rückzug eines der Partner. Das Werte-für-Werte-System ist die Grundlage, selbst wenn Menschen sich grüßen. Um das zu verdeutlichen, gehe ich etwas tiefer auf das Thema ein. Menschen grüßen andere Menschen und erwarten, dass sie zurückgegrüßt werden. Wird zurückgegrüßt, erhält der Grüßende seine Bestätigung, dass er vom anderen gesehen und beachtet wurde. Wird der Prozess des Grüßens um ein Lächeln erweitert, empfindet der Mensch ein positives Gefühl. Das ist das Prinzip des Sehens und Gesehenwerdens. Entfällt das Zurückgrüßen, wird nach einer Erklärung gesucht, etwa dass man übersehen wurde. Wird erkennbar absichtlich nicht zurückgegrüßt, erzeugt dieser Umstand ein Minderwertigkeitsgefühl, es entstehen negative Emotionen, das Wertesystem ist unausgewogen.

Über die Kommunikation erkennen wir den Beziehungsstatus, wie Menschen zueinanderstehen. Wie im Kapitel „Kommunikation“ beschrieben, gibt es eine symmetrische Kommunikation (auf Augenhöhe) und eine komplementäre Kommunikation (von oben herab). Die Art der Kommunikation sagt etwas über den Beziehungsstatus und die Wertschätzung aus. Kommunizieren Menschen auf Augenhöhe miteinander, ist das Wertesystem ausgewogen. Wertschätzung und Respekt erweist man, indem man freundlich um eine Handlung des anderen nachsucht, beispielsweise: „Erledigst Du das für mich?“ Respektvoller ist die Formulierung über eine Bitte: „Würdest Du das bitte für mich erledigen?“ Solche Fragen können mit dem jeweiligen Tonfall auch unfreundlich oder aggressiv gestaltet werden, daher noch einmal der Hinweis: Tonlage, Gestik und Mimik sind Teil der Kommunikation. Die Akzeptanz von Aufforderungen wiederum steigt mit der Begründung. Wenn Menschen um einen Gefallen gebeten werden, sind 60 % auch ohne hinreichende Begründung bereit, dem zu entsprechen. Begründet man eine Aufforderung mit dem „Weil-Faktor“, erhält man ca. 92 % Zustimmung. Wird eine Bitte nachvollziehbar und gut begründet, steigt die Zustimmung auf ca. 95 %.

In einer komplementären Kommunikation geht es um Machtausübung und somit ums Gewinnen und Verlieren. Zur Machtausübung werden verschiede Techniken verwendet. Eine davon ist die Drohung. Der in der Hierarchie Höherstehende befiehlt, was der andere zu tun hat: „Erledige das für mich!“ Der Untergeordnete wiederum beschränkt sich auf Fragen und stellt keine Forderungen. Ist eine Hierarchie nicht so klar und deutlich wie etwa beim Militär, birgt die komplementäre Kommunikation auf Dauer immer Konflikte.

Beziehungen sind nicht starr, sondern veränderbare Prozesse und immer in Bewegung. Bei der Eltern-Kind-Beziehung zum Beispiel besteht eine Hierarchie, solange die Kinder klein sind. Werden die Kinder zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen, verändert sich die Beziehung und die Hierarchie wandelt sich in eine Partnerschaft. Eltern können dann unterstützend und beratend auf die Entscheidungen ihrer Kinder einwirken – selbst wenn eine Hierarchie besteht. In Eltern-Kinder-Beziehungen sind Eltern gut beraten, wenn sie ihre Kinder grundlegend partnerschaftlich behandeln, dasselbe gilt auch für Vorgesetzte. Ein guter Chef zeichnet sich dadurch aus, wie gut er mit seinen Angestellten umgeht. Für die Früherkennung von Eskalationen ist es wichtig einschätzen zu können, wie ich behandelt und welche Haltung mir gegenüber eingenommen wird. Dementsprechend ist es auch meine Aufgabe, meine eigene Handlung und Haltung zu überprüfen. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus.“ Wer ist tatsächlich der Rufende?

Legt man jedes Wort auf die Goldwaage, ist das ein Zeichen für eine problematische Beziehung. Eine große Kommunikationstoleranz hingegen ist ein Hinweis auf wenige bis gar keine Probleme in der Beziehung.