Fight or Flight-Modus

Der Hirnstamm, auch „Reptiliengehirn“ genannt, ist der älteste Bereich des menschlichen Gehirns. Im Reptiliengehirn ist einer der Urinstinkte verankert, der dem Menschen das Überleben sicherte: der Kampf- oder Fluchtinstinkt („Fight or Flight“). Dieser Instinkt ist eine Überlebensstrategie des Menschen in Gefahrensituationen. Damit der Mensch bei Gefahr einfach, schnell und energiegeladen kämpfen oder fliehen kann, nutzt der menschliche Körper bestimmte Ressourcen, die durch den Kampf- oder Fluchtmodus aktiviert werden. Zum Beispiel eine höhere Energiebereitstellung, die durch das sympathische Nervensystem (Sympathikus) gesteuert wird. Der Sympathikus regt den Kreislauf an, dadurch wird die Atmung schneller. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden über die Nebennierenrinde ausgestoßen. Der Blutdruck und die Herzfrequenz steigen, die Bronchien werden erweitert. Der Energiestoffwechsel wird erhöht, das Immunsystem und andere Körperfunktionen werden unterdrückt. Das Reptiliengehirn übernimmt immer mehr die Hauptfunktion. Die Folge sind grobmotorische Handlungen und grober sprachlicher Ausdruck. Feinmotorische Handlungen und ordentliche Ausdrucksweise sind dann kaum bis gar nicht mehr möglich. Für lebensbedrohliche Situationen hat der Mensch autonom geschützte Kräfte. Diese werden einzig in lebensbedrohlichen Situationen aktiviert und über diese zusätzlichen Kräfte werden Höchstleistungen in einem Überlebenskampf ermöglicht. Dieser Instinkt ist heute noch genauso aktiv wie früher und funktioniert in Stress- und Gefahrensituationen genau in dersel ben Art und Weise. Wir spüren den Kampf- oder Fluchtmodus immer dann, wenn wir in Stresssituationen kommen und diese verlassen und weglaufen möchten. Beispielsweise in der Schule, bevor oder auch während man ein Referat vor der Schulklasse hält, vor einem Einstellungsgespräch, bei Streit-, Druck- und Stresssituationen. In diesen Situationen werden Stress- und Kampfhormone produziert. Streit, Druck und hoher Stress sind extreme Situationen, in denen man die Kampfhormone deutlich spürt. Beispielsweise dann, wenn man keine Antworten finden und nicht schlagfertig reagieren kann. Etwa 15 Minuten nach Beendigung eines Streits, wenn die Kampfhormone zum größten Teil wieder abgebaut sind und sich der Organismus wieder auf ein Normalniveau reguliert hat, fallen einem sofort alle möglichen schlagfertigen Antworten ein oder man denkt, dass die Reaktion besser hätte seine können. Schlagfertigkeit, körperliche wie auch verbale, muss man trainieren. Schlagfertigkeit ist entweder ein einstudierter Automatismus oder man macht sich durch Früherkennung „fertig zum Schlagen“. Früherkennung muss erlernt werden, um Gefahrensituationen rechtzeitig zu erkennen (siehe Kapitel „Konflikteskalation“).

Einen getroffenen Gegner, betrachten wir wie einen rasenden Eber. Yagyū Munenori

Das menschliche Unterbewusstsein kennt keinen Unterschied zwischen einer realen Gefahr wie einem Bären, der sich vor uns aufbaut, und einer psychischen Gefahr wie zum Beispiel Alpträumen. Aber auch Ängste vor Viren und Bakterien oder gar dem Teufel, die sogenannten diffusen Ängste, versetzen den Menschen in den Kampf- oder Fluchtmodus. Interessant diesbezüglich ist auch ein Blick auf eine Menschenmasse. Das Verhalten, wenn eine große Gruppe Menschen in Angst und Schrecken versetzt wird, ist dasselbe wie bei einer Tierherde, die in Panik geraten ist und dann losläuft. Loslaufen – simultan gleiche Handlungen ausführen oder Meinungen annehmen, die rational nicht erklärt werden können.

Die neuste Forschung hat einen Unterschied zwischen den Stressreaktionen bei Mann und Frau herausgefunden. Der Fight-or-Flight-Modus trifft auf Männer wie auch auf Frauen zu, hat bei Frauen jedoch eine schwächere Ausprägung. Frauen suchen Schutz in Gruppen, um aus Gefahrensituationen herauszukommen. Frauen bieten für die Aufnahme in Gruppen Freundschaft an, ursprünglich um ihren Nachwuchs zu beschützen. In der Psychologie heißt dieses Phänomen „Tend-and-befriend-Reaktion“, beschützen (tend) und Freundschaft anbieten (befriend).