Der Kreislauf des Lebens zeigt sich im Wettbewerb

Bist Du schwach, wirst Du angegriffen.
Bist Du stark, greifst Du Schwächere an
und wirst von Stärkeren angegriffen.
Bist Du an der Spitze, wirst Du mit der Zeit wieder schwächer
und wirst wieder angegriffen.

Der Wettbewerb ist eine durch Regeln begrenzte Form des Konfliktes. Als Teil des Konfliktes unterliegt der Wettbewerb den gleichen Prinzipien wie der Konflikt. Es findet sowohl ein innerer als auch äußerer sowie ein bewusster als auch unbewusster Wettbewerb statt. Die Grundregeln eines jeden Wettbewerbs sind dieselben Grundregeln wie die des menschlichen Miteinanders.

Wir kommen zusammen, um uns auseinander zu setzen.

Der Wettbewerb bietet die beste kulturelle Möglichkeit, Konflikte auszuleben und die im Training erlernten Fähigkeiten umzusetzen. Es existieren neben geschriebenen auch ungeschriebene Regeln, die einzuhalten sind. Selbst für Kriege wurden in den Genfer Konventionen Regeln festgelegt.

Beispiele für Wettbewerbe sind wirtschaftliche oder sportliche Wettbewerbe, etwa Formel 1, Fußball, Tennis, Fechten usw. Jeder Wettbewerb wird über die erzielte Position oder Platzierung entschieden. Alle Teilnehmer eines Wettbewerbs versuchen, die beste Position im Wettkampf oder Wettstreit zu erreichen. Titel und Positionen verleihen Anerkennung und Status – darum wird gekämpft. Bei der Formel 1 ringen die Fahrer um die Weltmeisterschaft, die erste Position im Gesamtklassement. Der Wettkampf findet auf der Rennstrecke statt. Der Rennfahrer mit der besten Position im Rennen wird zum Sieger gekürt. Die einzelnen Rennen addieren sich zum Gesamtwettbewerb und den Weltmeistertitel erhält derjenige Rennfahrer, der in allen Rennen zusammen die meisten guten Positionen erkämpft hat.

Im Sport treffen die Teilnehmer eines Wettkampfes die bewusste Entscheidung, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Demgegenüber nehmen Menschen im Alltag auch unbewusst an Positionskämpfen teil. Als Beispiel hierfür kann man die menschliche Gruppe heranziehen (siehe das Kapitel „Gruppen“). In menschlichen Gruppen finden dieselben Wettkämpfe um Positionen statt, wie in einem Wettbewerb. Konflikte in der Gruppe „Familie“ können auch Positionskämpfe sein. Hat man kein Wissen über die jeweilige menschliche Gruppe, ist der Hintergrund von Kämpfen beziehungsweise Konflikten mit Gruppenmitgliedern unklar oder unbewusst.

Wettbewerbe werden in Disziplinen ausgetragen, zum Beispiel in der Leichtathletik der Hundertmetersprint. Die Ambivalenz des Begriffes „Disziplin“ führt zu einer gedanklichen Verbindung zwischen einer sportlichen Disziplin und der eigenen einzuhaltenden (Selbst-)Disziplin: Um die Disziplin des Hundertmetersprints mit einer guten Position abzuschließen, benötigt man eine gewisse eigene Disziplin im Training.

Menschen versuchen mitunter Positionswettkämpfe zu umgehen und kreieren ihren eigenen Wettbewerb. Solange aber niemand anderes an diesem Wettbewerb teilnimmt, findet auch kein Wettkampf um Positionen statt. Dann ist man ohne Wettkampf die Nr. 1 und belegt die beste Position. Solange dieser Wettbewerb unbekannt und uninteressant für andere ist, wird nur wenig oder gar kein Wettkampf stattfinden. Für Außenstehende kann man so Anerkennung und den Status erhalten, der sich für eine Nr. 1 gehört. Ein Beispiel für einen selbst kreierten Wettbewerb ist die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Ein Anbieterwettstreit im Internet kann um den Suchbegriff „Pumps“ stattfinden. „Pumps“ ist die englische Entsprechung des deutschen Plurals „Pumpen“. Wer im internationalen Bereich Pumpen verkaufen möchte, braucht eine gute Positionierung bei einschlägigen Suchmaschinen, vorrangig natürlich Google. Der Begriff „Pumps“ bedeutet nun aber nicht nur „Pumpen“, sondern bezeichnet auch ein Frauenschuhmodell. Wer das Schuhmodell „Pumps“ verkaufen möchte, gerät in einen Suchmaschinenkonflikt mit den Pumpenverkäufern. Es gibt einen Wettbewerb um den Begriff „Pumps“ in zwei unterschiedlichen internationalen wirtschaftlichen Bereichen. Anders sieht es aus, wenn man den Suchbegriff „Pudding ohne Gräten“ betrachtet. Wer seine Website für diesen Suchbegriff optimiert, wird ohne großen Wettkampf die 1. Position erreichen. Es findet aber auch überhaupt kein Wettbewerb statt, weil es keine Menschen geben dürfte, die nach „Pudding ohne Gräten“ suchen. Erfolg hat man nur dann, wenn eine Nachfrage nach „Pudding ohne Gräten“ entsteht, und man ein Alleinstellungmerkmal besitzt. Hat man kein Alleinstellungsmerkmal und es besteht eine hohe Nachfrage nach „Pudding ohne Gräten“, wird ein Wettbewerb und ein Wettkampf entstehen. Ob man dann noch die Nr. 1 bleibt, ist fraglich.

Eine Aufgabe der Selbstfindung kann sein, seinen eigenen Wettbewerb zu finden, sein persönliches Alleinstellungsmerkmal. Einer dieser Wettbewerbe ist beispielsweise das Muttersein. Eine Mutter ist die Mutter und steht zu keinem anderen Menschen in Konkurrenz, genauso wie der Vater. Nur durch Selbstverschulden verlieren Mutter oder Vater ihre Position gegenüber dem Kind. Erst wenn die Kinder groß werden und zum Beispiel ein junger Mann eine Frau findet, verliert die Mutter im weiblich-fürsorglichen Segment ihre Position als Nr. 1. Sollten hier Konflikte auftreten und ein Wettbewerb zwischen Freundin und Mutter stattfinden, liegt eine Unordnung in der Liebe vor (siehe Kapitel „Ordnung“).

Beispiele für weitere Wettbewerbe sind der Wettbewerb um Moral, Recht und die Selbstbehauptung. Arthur Schopenhauer schreibt dazu in seinem Buch „Die Kunst recht zu behalten“:

Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung
durchsetzen, selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch
oder zweifelhaft scheint. Die Hilfsmittel hiezu gibt einem jeden
seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaßen an die Hand:
dies lehrt die tägliche Erfahrung […].

Im Kapitel „Gruppen und ihre Konflikte“ wird dargelegt, wie hart und emotional Kämpfe um Positionen und Status sein können. Wenn einem bewusst wird, dass ein Kampf, innerlich oder äußerlich, bevorsteht oder schon stattfindet, sollte man dem Wesen dieses Konfliktes auf den Grund gehen: Um welchen Wettbewerb handelt es sich? Was ist der Kern dieses Wettkampfes? Warum nimmt man an diesem Wettkampf teil? Menschen müssen nicht an jedem Kampf teilnehmen. Jeder Mensch kann sich bewusst machen, wie wichtig oder unwichtig ein Wettkampf ist, und ob man vielleicht nicht besser aussteigt – den Ring verlassen, ohne zu kämpfen. Buddhisten haben einen Weg gefunden, ohne Wettkampf und ohne Wettbewerb Anerkennung und Status zu erreichen.

Sie selbst können Wettkämpfe nutzen, um für das Leben zu lernen. Darauf zielt auch die Kampfkunst ab.

Lernen ohne zu denken ist sinnlos,
aber denken ohne zu lernen ist gefährlich.
Konfuzius