Macht

Im vorgehenden Kapitel wurde beschrieben, wie menschliche Gruppen funktionieren und dass es immer eine natürliche Hierarchie und Rangeleien um Stellungen und Positionen in der Gruppe gibt. Daher wird es auch immer wieder vorkommen, dass Macht ausgeübt wird.

Machtausübung findet über das Wertesystem von Menschen statt. „Geld oder Leben?“ – in diesem Fall ist das Leben sehr viel mehr wert als das Geld. Im Alltag des Menschen existieren sehr viele Werte (Befriedigungen von Bedürfnissen), über die Macht ausgeübt werden kann. Kein Mensch auf dieser Welt ist in der Lage, alle seine Bedürfnisse selbst zu befriedigen, hierfür benötigen Menschen Hilfe und Unterstützung anderer. Menschen haben großteils dieselben Bedürfnisse wie beispielsweise Grund- und Sicherheitsbedürfnisse.

Je größer ein Bedürfnis ist, das man selbst nicht befriedigen kann, desto größer ist der Wert von dessen Befriedigung. Dieses Prinzip ist aus der Geschäftswelt bekannt: das sogenannte Angebot-und-Nachfrage-Prinzip beim Verkaufspreis von Gegenständen und Dienstleistungen. Das menschliche Sozialleben unterliegt demselben Prinzip. Im sozialen Bereich nennt man es „Geben und Nehmen“. Nach den Grundbedürfnissen Essen, Trinken und Schlafen kommen die Sicherheitsbedürfnisse. Sicherheit ist ein Gegenspieler von Angst und Angst ist eine der Hauptantriebskräfte des Menschen. Im gewerblichen Bereich wird über Angst viel Geld verdient – jede Versicherung, jeder, der uns Sicherheit verspricht, verdient über Angst Geld. Auch die Angst vor Minderwertigkeit spielt eine große Rolle. Das neue Automodell, der neue Fotoapparat ist besser, toller, schöner als das alte Modell. Mit dem alten halten Sie mit dem Mainstream nicht mehr mit! Es wird eine Vorstellung- und Anspruchswelt um das neue Produkt gebaut. Das ist die Grundlage fast jeder Werbung. Menschen haben vor vielen Dingen Angst, aber am meisten vor der Zukunft. Was wird Morgen sein, was kommt noch auf uns zu? Aus Angst vor Veränderungen werden Amtsinhaber wieder in ihre Ämter gewählt. Auch der Ausschluss aus dem sozialen Leben macht Angst. Manche Regierungen regieren über Angst und nutzen hierfür diffuse Ängste. Diffuse Ängste sind nicht objektbezogen, es ist die Angst vor etwas, dass der Mensch nicht sehen, anfassen oder genau beschreiben kann. Das beste Beispiel hierfür ist die Erfindung des Teufels.

Sind Menschen in einer partnerschaftlichen Beziehung, haben sie die diffuse Angst, dass die Beziehung scheitert und zerbricht. Auch hier wirkt die Angst vor der unbekannten Zukunft. Derjenige, der in der Beziehung die größere Angst hat, unterwirft sich dem anderen. Ähnlich in der Arbeitswelt: Der Angestellte vermutet, dass im Falle seiner Kündigung der Arbeitgeber schneller einen neuen Arbeitnehmer einstellen kann, als dass der Arbeitnehmer selbst eine neue Stelle findet. Daher suchen Kündigungswillige zunächst oft eine neue Arbeitsstelle und kündigen erst dann, wenn diese sicher ist. Es könnte aber auch anders sein und der Arbeitgeber kann gerade diesen Arbeitnehmer nur sehr schwer ersetzen. Die entscheidende Frage ist: Wer hat die eigentliche Macht? Sind die Mächtigen wirklich mächtig und die Ohnmächtigen machtlos? Auch hierfür sollte man sich ein Be wusstsein schaffen!

Trifft ein Mensch auf einen Tiger, hat der Mensch so gut wie keine Chance. Der Tiger ist sich seiner Überlegenheit bewusst, und der Mensch weiß, dass er unterlegen ist. Der Mensch würde den Tiger nicht provozieren und sich ruhig und unauffällig verhalten, damit ein Angriff des Tigers ausbleibt. Vielleicht würde er aus Angst auch versuchen, den Tiger zu verscheuchen, indem er einen Angriff vortäuscht. Anders sieht es aus, wenn der Mensch ein Gewehr besitzt. Der Tiger kennt die Gefahr von Gewehren nicht und fühlt sich genauso überlegen wie gegenüber einem Unbewaffneten. Der Mensch jedoch ist in dieser Situation mit seinem Gewehr selbstbewusster.

Werde dir des nicht immer Augenfälligen bewusst.
Miyamoto Musashi

Was hat sich zwischen dem Tiger und dem Menschen durch das Gewehr verändert? Die Beziehung zueinander und die Werteinschätzung haben sich geändert. Im ersten Fall ist der Wert für den unbewaffneten Menschen das eigene Überleben und die Freude, heil aus der Gefahrensituation herausgekommen zu sein. Im Falle des Bewaffneten, falls er womöglich Jäger sein sollte, verdient er mit der Jagd sein Geld und somit ist der Wert ein gewisser Wohlstand. Angriffe finden aus zwei Gründen statt. Erstens, weil man sich überlegen fühlt und Macht ausüben kann. Der zweite Grund ist Angst vor einem Angriff. Seien Sie sich ihrer Macht und auch der Macht anderer bewusst.

Wer es nicht schafft, sich bei wichtigen
Schicksalen zu schützen, hängt bloß vom Glück ab.
Niccolò Machiavelli